Wer vom Pferd fällt, sollte wieder aufsitzen – oder zumindest daneben her gehen
Nachdem das gemeinsame Leben mit Yoshi leider aus „persönlichen“ Gründen nicht geklappt hat, haben wir erstmal Abstand vom Thema Familienmitglied nehmen müssen, auch um das Erlebte zu verarbeiten. Fest stand für uns aber immer, dass die Liebe zum Hund nicht erloschen ist. So haben wir uns recht schnell entschieden, nicht nur uns selbst, sondern auch anderen Schnuffeln etwas Gutes zu tun und sind im Tierheim als Gassigänger vorstellig geworden. Der notwendige Sachkundnachweis lag ja schon vor, so dass wir kurzum Samstag- und Sonntagmorgen einen festen Termin im Kalender stehen hatten: 09:00-11:00 Uhr Spaziergänge mit Hund.
So durften wir viele verschiedene Fellnasen kennenlernen, von denen einige schnell ein neues zu Hause finden konnten und einige, die leider jetzt noch immer ihr Dasein im Zwinger fristen müssen. Der ein oder andere „nette“ Kandidat war von Anfang an immer mal dabei, aber wir wollten uns natürlich viel Zeit geben, bis wir eventuell noch einmal eine Entscheidung für einen Vierbeiner treffen würden.
Die hübsche Mira (die ein sehr weiches Fell hat!) zum Beispiel sucht immer noch ein schönes Zuhause.
Mickey
Mickey, ein jetzt 2-jähriger Rüde, kam im Juli ins Tierheim. Schon der erste Spaziergang zeigte, dass wir es mit einem ungestümen und wilden, aber bildhübschen Burschen zu tun haben. Sein Mitbewohner Popaj, der genau so groß, aber wesentlich ruhiger war, hatte es uns eigentlich zu Beginn viel mehr angetan als der schwarz-braune Schäferhundmischling. Popaj fand allerdings schnell neue Besitzer, so dass Mickey allein im Zwinger saß.
Und dann, tja dann wuchs ein zartes Pflänzchen Liebe heran…
Kräftig, kräftig
Kaum jemand wollte gern mit Mickey spazieren gehen, da er mit seinen geschätzt 24 kg sehr stark ist und durch den Mangel an Erziehung nicht viel von „bei Fuß“ hält. So ist es ein erheblicher Kraftakt den Burschen an der Leine zu halten. Und neugierig wie er ist, will er überall hin und am liebsten mit (fast) allen entgegen kommenden vierbeinigen Kameraden spielen, ob sie wollen oder nicht.
Uns war klar, dass er für uns als eigener Hund nicht in Frage kommt, weil er dafür viel zu ungestüm und energiegeladen ist. Aber irgendwie war da so ein Bauchgefühl, so dass wir uns doch immer 1 oder sogar 2 Stunden von ihm haben durchs Bergische ziehen lassen. Über Monate war es ein Hin und Her zwischen Kopf und Herz. Das Herz hatte Mickey schon längst erobert, der Kopf hat aber vor den vielleicht zu großen Problemen gewarnt.
Ja oder nein?
Eine Hundetrainerin bestätigte nach einem gemeinsamen Spaziergang unseren Eindruck, dass Mickey unter der wilden und energiegeladenen Schale ein ganz sanfter und lieber Kerl ist. Sie warnte natürlich auch vor den möglichen Problemen, zumal er insbesondere auf große Autos auch noch sehr panisch reagiert. Ihr Rat: Im Endeffekt müssen Kopf und Bauch passen, dann hat man seinen Hund gefunden.
Auch, wenn uns das die Entscheidung nicht wirklich erleichterte, konnten wir doch dank ein paar Tipps, ein bisschen beginnen mit Mickey zu üben. Und siehe da, das Kerlchen steht nicht nur total auf Leckerchen, sondern ist auch noch ein kluger Kopf der schnell lernt. So wurde das Spazieren zwar immer noch zur Zieh-Partie, aber wir konnten kleine Suchspielchen einbauen und ihn für richtiges Verhalten belohnen.
Wir durften außerdem einen sehr lieben Menschen kennenlernen, der uns für gute Eltern (oder besser: Rudelführer) für Mickey hielt. Das hat die Entscheidung ihn wahrscheinlich NICHT zu nehmen nicht einfacher gemacht…
Die Pause
Immer noch von den eigenen Dämonen geplagt, kam dann, zumindest für mich, eine 3-wöchige Pause von den Spaziergängen. Die schon sehr lange erwünschte Japanreise wurde Wirklichkeit! Froh, das Thema Hund eine Zeit aus dem Kopf zu haben, habe ich trotzdem mit einem Lächeln die geschickten Videos und Fotos von Mickey angeschaut.
Die Veränderung
Nach dem Urlaub ging es kurzum wieder zurück ins Heim. Natürlich hatte sich nichts geändert, Mickey war genau so ungestüm wie vorher (wie sollte es anders sein). Aber irgendwas war doch anders: Ich hatte Angst, dass er vermittelt werden könnte und mein Kopf hatte auf einmal keine Zweifel mehr, dass dieser knuffige Schnuffel unser Hund ist. Auch wenn die möglichen Probleme noch immer im Raum schwebten und die Spaziergänge nicht immer einfach waren, war die Sorge weg. Phillipp allerdings war immer noch der Meinung, dass der starke Schäferhund-Mix eine Nummer zu groß für uns sein könnte.
Die Entscheidung
Manche Dinge kann man nicht erklären… Wir ließen uns weiter Zeit und machten unsere Spaziergänge, aber aus irgendeinem Grund kam meine Sorge, trotz auch schwieriger Tage, nicht zurück. Liebe auf den dritten Blick?
Und dann, nach mehrfacher reiflicher Überlegung, vielen Gesprächen und natürlich auch unter kritischer Berücksichtigung der Geschehnisse im Mai und der eventuellen Probleme, haben wir am 11.12.2018 gemeinsam die Papiere unterschrieben und: Mickey gehörte uns 🙂 Wer hätte das gedacht…
Ein kleiner Herzenshinweis
In dem 3/4 Jahr durften wir durch das Spazierengehen nicht nur andere nette Menschen kennenlernen, sondern auch vielen lieben Hunden eine hoffentlich schöne Stunde bieten.
Mit der Zeit lernt man die Tiere außerdem besser kennen, dafür reichen allerdings 2-3 Spaziergänge nicht aus. Viele Hunde sitzen schon sehr lange im Heim, „nur“ weil sie groß, schwarz, alt oder etwas wild im Zwinger sind. Wenn man sich allerdings Zeit nimmt und auch einen Blick hinter die Fassade wirft, kann man vielleicht doch dem ein oder anderen „Dauerinsassen“ eine Chance geben.
Ohne die vielen Spaziergänge hätten wir das nette Wesen von Mickey nie wirklich kennengelernt. So können wir aber jetzt nicht nur ihm eine zweite Chance geben, sondern ich gebe auch mir selbst eine zweite Chance. Nur, weil man einmal versagt hat, heißt es nicht, dass man sich ewig danach richten muss und NIE wieder einen zweiten Versuch wagen darf…